Objekt /
Adresse

Die ehemalige Zimmerei / Wirtshaus
Forchstrasse 350

 
erbaut .
Hausname Wirtschaft zum Rehböckli Abbruch 1912
Quartier(e) Hirslanden Stadtkreis 8 PLZ 8008
       
Abbildung
Bildtext Wirtschaft "zum Rehböckli" an der Forchstrasse im Balgrist
Bildquelle Zürcher Wochen-Chronik vom 6. Mai 1911
       
Text Das Wirtshaus zum "Rehböckli" im Balgrist

Immer mehr sieht sich das idyllische Dorfleben der einstigen Aussengemeinden Zürichs durch städtisches Wesen zurückgedrängt; äusserlich kommt letzteres durch städtisches Bau- und Verkehrswesen zur Geltung. Nun wird auch bald in Hirslanden durch die Verbreiterung der Forchstrasse und die sehnlichst begehrte Erstellung der Forchbahn der Dorfgeist verschwinden müssen.

Bis Ende dieses Jahres (1911) ist neben anderen Gebäulichkeiten auch dem weitbekannten Wirtshause oder eher -Häuschen zum "Rehböckli" im Balgrist (Forchstrasse 350) noch eine Gnadenfrist gewährt. Die Stadt Zürich hat es bereits auf Abbruch zur Erweiterung der Forchstrasse erworben.

Das Wirtshaus zum "Rehböckli" ist trotz seines anspruchslosen Gewandes Worte der Erinnerung wert. Nicht weit vom Schiessplatze Rehalp gelegen, bot es seit vielen Jahren allen Schützenbrüdern, aber auch den Zürichbergfreunden, so treffliche Rast und Erholung, dass das "Rehböckli" und die Wirtsfamilie Raths in vieler Mund lebt und sein Verschwinden allgemein bedauert werden wird.

Den trefflichen Ruf dieser Raststätte aber darf sich das immer noch muntere greise Ehepaar, das in diesem Hause seit 25 Jahren die Wirtschaft betreibt, in erster Linie selbst zuschreiben. Mit Wehmut zwar, aber auch mit Stolz über das vollbrachte Lebenswerk wird es sich nun wohl bald in den wohlverdienten Ruhestand begeben. Den zahlreichen Freunden des lieben alten Paares können wir hier sein wohlgetroffenes Bild vor Augen führen.

Da zudem in den nächsten Tagen, am 16. Mai, in der Familie Raths ein seltenes Jubiläums- und Familien, ein wahres Generationenfest gefeiert werden kann, glauben wir auch, aus dem Leben der ehrwürdigen Grosseltern Raths erzählen zu dürfen.

Quelle: Zürcher Wochen-Chronik vom 6. Mai 1911

 

       
Abbildung
Bildtext Hans Heinrich Raths, der Rehböckliwirt im Balgrist mit seiner Ehefrau Regula Raths, geb. Wegmann.
Bildquelle Zürcher Wochen-Chronik vom 6. Mai 1911
       
Text Die ehemaligen Wirtsleute des "Rehböckli"

Der allzeit joviale, wegen seines unverwüstlichen Humors so beliebte Rehböckliwirt Hans Heinrich Raths stammt aus dem zürcherischen Oberland, aus Bäretswil. Seine Mutter, die als älteste Bürgerin Bäretswils 87 Jahre alt geworden ist, hat 13 Kindern das Leben geschenkt. Als Beruf erwählte sich der junge Raths das Nagelschmiedehandwerk, welches auch sein Vater betrieb, das heutzutage aber der fabrikmässigen Produktion fast ganz hat weichen müssen.

Als Kuriosum frei erwähnt, dass der Rehböckliwirt seinem früheren Berufe noch bis in die jüngste Zeit durch handwerksmässige Verfertigung von Nagelspezialitäten obgelegen hat, wie noch heute sein Bruder in Bäretswil. - 1862 führte er aus Egg seine von Wangen stammende Gattin Regula Wegmann heim;  von ruhigem Gemüt, ist sie ihm allezeit, auch in Zeiten der Ehe, treu zur Seite gestanden.

1871 siedelte Raths nach Hirslanden über, aus einer Zimmerwerkstatt erbaute er sich sein Häuschen, eben das jetzige "Rehböckli". Dem jüngst in den Ruhestand getretenen Hrn. Regierungsrat Bleuler-Hüni stand er hier, so lange dieser in seiner früheren Tätigkeit als Ingenieur wirkte, als Messgehülfe zur Seite. Seine Lieblingserholung war der Jagdsport; als froher Jagdkumpan war er im Kreise hochstehender Jagdherren gerne gesehen.

Und als er im Jahre 1886 in seinem Hause, die jetzige Wirtschaft einrichtete, da musste sie natürlich "Zum Rehböckli" heissen, und sein Jägerlatein, sein unverwüstlicher Humor und die unversiegbare Quelle an Witzen unterhielten fortan die Gäste aufs prächtigste. Was in die Schiessstände auf die Rehalp strömte kehrte bei ihm ein: die Herren Standschützen Neumünster, der Grütliverein Neumünster, der Schiessverein Hirslanden, eine Zeit lang auch der Männerchor Wollishofen.

Die getreuesten Gäste aber waren die Herren Kantons- und Stadtpolizisten, die nach ihrem Schiesset am liebsten zu trautem Zusammensein im "Rehböckli" sich trafen. Da gab's wahrhaftige Spezialitäten die die kundige Hand der Frau Wirtin bereitete: das sogenannte Fliegenbrot, ein Gebäck mit Weinbeeren und Rosinen, dann die Rathschen Hammenbeine und Bauernschüblinge, wie schmeckten die saftig, und Regelis Hasenpfeffer, gewürzt durch das Jägerlatein ihres Gatten!

Selbst Schwarzbrot bereitete die Nimmermüde selbst, und manche fröhliche Schweinemetzgeten sah das Haus. Solche Spezialitäten lockten auch sonst viele Private aus der Nähe und der Stadt herbei, so dass hoch und niedrig, alle Stände im "Rehböckli" verkehrten, um sich durch den Herrn Feuerwehr-Kommandanten - das war Hrn. Raths einzige öffentliche Betätigung - den Durst löschen zu lassen.

Am kommenden 16. Mai (1911) wird nunmehr das Ehepaar Raths sein goldenes Hochzeitsjubiläum feiern. Von seinen beiden Töchtern wird zugleich die ältere, Frau Küng-Raths, ihr silbernes, und von seinen neun Enkeln deren älteste Tochter, die zukünftige Frau Gubler-Küng, ihr grünes Hochzeitsfest begehen, ein prächtiges, sein Lebenswerk beschliessenden Fest.

Ein Wehmutstropfen mag in den Becher der Freude fallen: ein männlicher Erbe, ein zu grossen Hoffnungen berechtigender Sohn hat nicht zur Mannbarkeit reifen können; er wurde den tieftrauernden Eltern zwölfjährig 1880 durch den Tod entrissen. - Dem ehrwürdigen Paare wünschen wir frohes Gelingen des Festes und hernach einen ruhigen schönen Lebensabend.

Quelle: Zürcher Wochen-Chronik vom 6. Mai 1911

 

       
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